Willkommen in der Spaß-Apokalypsemotorline.cc-Redakteur Michael Noir Trawniczek schildert seine Erlebnisse am Steuer eines Stockcar Volvo, bei den Saloon Cars auf der Natschbacher Sandbahn…
Ankunft an der Speedwaysandbahn in Natschbach-Loipersdorf – das GP Racing Team hat die vier Volvo bereits aufgestellt. Schließlich werden heute vier Piloten ihr Debüt bei den Saloon Cars geben: Teamchef Georg Gschwandner, ORM-Rallyepilot Alfred Leitner, Volvo-Ass Kurt Putz und meine Wenigkeit – ein Reporter, der ab und zu irgendwelche Renngeräte ausprobieren darf…
Die vier Volvo 740 entsprechen dem Reglement der Saloon Cars, die heuer erstmals im Rahmen des Stockcar Racing Cups ihre Rennen austragen:Es sind durch die Bank alte ausrangierte Autos, die an Autocrash erinnern, ausgerüstet jedoch mit Rennsitzen, Mehrpunktgurtsystem, Überrollkäfig und Sicherheitstanks. Die Technische Abnahme ist ein Novum: Der Delegierte kommt zum Team, um die Checkliste durchzugehen…
Mein Auto hat die Startnummer 66, die durfte man sich aussuchen – es ist jener „Weiße“ mit Schwedenflagge am Dach, der vor seinem Tod als normaler Verkehrsteilnehmer drei Jahre lang mein treuer und verlässlicher Gefährte war, und der nun als Saloon Car ein wunderschönes und ganz sicher nicht langweiliges zweites Leben erhielt…
Gladiatoren des Racing
Stockcar erinnert an frühere Gladiatorenkämpfe – das Publikum hat immer die gesamte Strecke im Auge. Die Idee, den Stockcar Sport in Österreich zu etablieren, hatten Manfred Stohl und sein Freund Walter Grubmüller vor rund drei Jahren.
In England floriert diese Sportart, in Birmingham haben die beiden einen Stockcar Lauf gesehen. Grubmüller fuhr früher Speedwayrennen, damals gab es noch zahlreiche Bahnen in Österreich.
„Stockcar ist spektakulär für die Akteure, aber auch für das Publikum“, sagt Stohl. Die Formel 2 konnte er in den letzten beiden Jahren gut positionieren, zahlreiche Stars der heimischen und internationalen Motorsport-Szene waren schon dabei.
Die Saloon Cars kamen heuer dazu – und heute, an diesem mit wunderschönem Herbstwetter gesegneten Samstag werden vier Stockcar Volvos hinzustoßen. Eigentlich war geplant, dass wir am Vormittag die Sandbahn ausprobieren dürfen – doch nun müssen wir uns quasi ins „kalte Wasser“ stürzen. Die 14 Saloon Cars werden in zwei Gruppen aufgeteilt, jede Gruppe erhält zwei Trainingsläufe über je sechs Runden.
Ungewohnt ist der Einstieg: Beide Türen des Volvo sind verschweißt, man klettert über das nicht vorhandene Beifahrerfenster in das Wageninnere. Fenster gibt es ohnehin keine – die würden wegen der hochgeschleuderten Steinchen bald schon zu Bruch gehen. Dafür gibt es feinmaschige Gitter, die den Piloten vor Steinschlag schützen.
Bevor es losgeht, müssen alle Piloten zur Fahrerbesprechung. Als Rookie und Nicht-Rennfahrer möchte man zwar auch sportlich das Beste versuchen, man möchte aber auch niemandem im Wege stehen. Doch die Lösung ist einfach – Manfred Stohl sagt: „Bleib einfach auf deiner Linie – die schnelleren Fahrer wissen, wo sie an dir vorbeikommen.“
Wirklich schlau bin ich nach dem Training nicht – ich weiß nur, dass es mächtig Spaß bereitet, den guten, alten „Weißen“ um die Sandbahn zu jagen. Noch sind die Bremsen normal eingestellt – bei den anderen Saloon Cars werden nur die rechten Räder gebremst. Das heißt: Ein kurzer Tritt auf das Bremspedal genügt, um den Wagen in die Kurve zu stellen. Doch eigentlich bin ich froh, dass die Volvos an diesem Tag noch normal bremsen…
Jetzt wird es ernst: Der erste Vorlauf steht auf dem Programm. Die Startaufstellung wird beim ersten Vorlauf gestürzt nach den Trainingszeiten vorgenommen. Das heißt: Ich stehe bei meinem ersten Rennen gleich einmal auf Poleposition.
Mittlerweile weiß ich, dass es eigentlich zwei Linien gibt: Wenn niemand dicht hinter dir her fährt, ist es voreilhaft, die Kurve eher mittig anzufahren, um möglichst viel Schwung mitnehmen zu können. Sitzt einem jedoch einer oder die ganze Meute im Nacken, gilt eines: Ganz innen anfahren, sodass keiner vorbeikommt.
„Mark Webber“ der Stockcar Volvos
Rallyepilot Alfred Leitner, mein Teamkollege, steht neben mir in der ersten Startreihe. Im Spaß machen wir aus: Er fährt vor und ich mache den „Mark Webber der Saloon Cars“, halte ihm die Meute vom Leib.
In Wahrheit jedoch befürchte ich, dass ich meinem Teamkollegen wenig Hilfe leisten kann. Meine Gedanken kreisen eher darum, ob ich den Start gut erwischen werde, ob es gleich eine Massenkollision geben wird oder wie ich mich sonst aus der Affäre ziehen kann, im ersten Rennen, auf der Poleposition…
Der GP Racing Team-Chefmechaniker, Markus Hochleuthner, hat mir noch den Sitz besser eingestellt – jetzt klettern Alfred und ich in unsere Autos, Georg und Kurt fahren in der anderen Gruppe ihre Vorläufe. Ab diesem Zeitpunkt ist man allein im Auto – man rollt zur Startaufstellung direkt in der Einfahrt in die Arena. Ein Blick rüber zu Alfred – warten, wir müssen warten. Man zurrt noch einmal den Gurt enger, man versucht, sich zu konzentrieren…
Jetzt öffnet sich das Tor, die Formel 2-Boliden rollen herein, wir stehen links und rechts am Straßenrand, quasi im Spalier, im Gesicht von Manfred Stohl wetterleuchtet es…
Jetzt ist es so weit, einzeln werden wir auf die Bahn gesandt, dort stellen wir uns bei Start und Ziel hinter dem Safety Car auf. Hinter diesem rollen wir einmal um den Kurs, ehe es vor der Zielgeraden nach innen abdriftet, um uns quasi unserem Schicksal zu überlassen. Die Regel besagt: Man fährt gemäßigt los, richtig Gas darf man erst auf der Ziellinie geben, wenn Rennleiter Folkrad Payrich die grüne Flagge schwingt.
Einen Fehl- oder Frühstart will ich nicht riskieren, ich orientiere mich an meinem Teamkollegen Alfred Leitner. Das ist auch prompt der erste Fehler- denn so bestimmt er das Tempo und es ist kein Wunder, dass er als Erster in die Kurve sticht. Was mich selbst aber sehr verwundert ist, dass ich es tatsächlich schaffe, als Zweiter in die erste Kurve zu gelangen und auf dieser Position auch wieder aus ihr herauszukommen.
Alfred kann sich schnell ein wenig absetzen, hinter mir die Meute, ein blaues und ein oranges Auto fahren nebeneinander direkt in meinem Windschatten – oder besser ausgedrückt: Sie kleben an meiner Stoßstange. Ich halte mich an den Tipp, ganz innen zu bleiben und komme tatsächlich als Zweiter aus der ersten Runde. Doch ich kann den heißen Atem der Verfolger spüren.
Aber dann gibt es hinter mir ein Gerangel, der Blaue steht quer – das verschafft mir etwas Luft. Und so kann ich mir die Linie meines führenden Teamkollegen genauer anschauen und versuchen, das Gesehene umzusetzen.
Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn die Verfolger nun etwas kleiner sind im Rückspiegel. Das Adrenalin pumpt durch den Körper – ich liege tatsächlich auf Platz zwei.
Doch lange dauert es nicht, und der Blaue wird wieder größer im Rückspiegel, den Orangen hat er in seinem Schlepptau. Sie kommen immer näher – in der ersten Kurve taucht er mich ein wenig an, man könnte es auch ein „zartes Anklopfen“ nennen.
Doch, noch, bleibe ich vorne. In der nächsten Runde jedoch fahre ich viel zu weit außen, und schon ist es geschehen. Beide Gegner ziehen innen an mir vorbei, immerhin kann ich noch verhindern, dass gleich alle an mir vorbeihuschen, so wird es wenigstens Platz vier.
Historische Siege
Aber: Alfred Leitner ist der Sieger, der historische Sieger – ein GP Racing Stockcar Volvo gewinnt gleich einmal den ersten Vorlauf, was für ein Einstand für die „Elche“! Alfred bedankt sich für die Teamhilfe beziehungsweise dafür, dass ich ihm den „Mark Webber“ gemacht habe. Teamchef Georg Gschwandner ist entzückt, viel Zeit zum Jubeln bleibt ihm nicht, denn jetzt muss er sich ins Auto wuchten, der Timetable ist dicht gedrängt.
Auch wenn Georg in seinem ersten Vorlauf nur den siebten und letzten Platz belegen konnte, jubelt er wenig später über den nächsten Volvo-Sieg. Die Stockcar Volvos konnten also dank Alfred Leitner und Georg Gschwandner gleich einmal zwei Vorläufe gewinnen. Doch zugleich wird Gschwandner klar: „Sie haben uns anfangs vielleicht unterschätzt, doch jetzt fahren sie um einiges härter.“
Wir zahlen Lehrgeld
In meinem zweiten Vorlauf stehe ich auf Startplatz vier, der befindet sich auf der Außenseite. Schnell wird mir klar, dass es von außen viel schwieriger ist, einen guten Start hinzulegen – dafür müsste man brutal nach innen ziehen, und dafür fehlt mir nicht nur die Routine sondern auch eine gewisse Abgebrühtheit.
In den folgenden Rennen kann ich an die gute Leistung aus dem ersten Vorlauf nicht mehr anschließen, obwohl das Fahren immer mehr Spaß bereitet, ein Rätsel. Aber: Ich erfahre am eigenen Leib, welche Bedeutung das Wort „Kontaktmotorsport“ hat, wie sich sanftes und weniger sanftes „Anklopfen“ anfühlt.
Auch die anderen Volvo-Jungs tun sich in den Rennläufen schwerer, in der offiziellen Presseaussendung heißt es so schön formuliert, die Volvo hätten „noch – Lehrgeld bezahlen müssen“ – immerhin gelingt es Gschwandner im A-Finale, den dritten Platz zu belegen.
Die große Schlacht
Die Zeit vergeht wie im Flug – schon steht das Grande Finale auf dem Programm. Das heißt: Alle 14 Saloon Cars stehen am Start – aufgestellt wird nach den zuvor erbrachten Leistungen, in gestürzter Reihenfolge. Somit stehe ich wieder in der ersten Startreihe, doch leider auf der Außenseite.
Mittlerweile wurde die Flutlichtanlage in Betrieb genommen, die rund 600 Zuschauer kommen voll auf ihre Kosten. In der Königsklasse Formel 2 tobt der Titelfight zwischen Manfred Stohl und Autocrash-Champion Hans Jürgen Erhart bis zum letzten Meter, und die Saloon Cars bieten heiße Action, wie man sie wohl selten zu sehen bekommt.
Das Grande Finale wird zu einer echten Schlacht. Natürlich kann ich Position zwei am Start nicht halten, reihe mich irgendwo im Mittelfeld ein. Doch bald geht es hier nur noch ums „Überleben“.
Immer wieder stehen Autos quer, liegen Stoßstangen auf der Strecke – es ist eine regelrechte Apokalypse, die jedoch ungeheuren Spaß bereitet. Noch während des Rennens muss ich immer wieder lachen, weil es einfach unglaublich ist, was jetzt auf der Sandbahn abgeht. Und es ist wunderschön, ein Teil dieses Spektakels zu sein.
Einer der Blauen, die besonders hart im Nahkampf vorgehen, klopft richtig hart an, sodass ich im Kurveneingang aufmache und den Blauen vorbeilasse. Später wird Rudi Stohl in einer fast schon liebevollen Art, als wäre ich sein „Rennfahrersohn“, schimpfen: „Wieso bist du nicht innen geblieben, wie ich es dir gesagt habe? Wieso bist du nicht hart in die Eisen gestiegen, dass er nur so schaut.“ Ja, wieso eigentlich? Vielleicht aus einem Instinkt heraus, weil der Blaue einfach schneller ist und weil mir, auch mangels Erfahrung, das Herz dazu fehlt, hier wirklich auf Biegen und Brechen einen neunten Platz zu verteidigen.
Daumen hoch
Das heißt: Nicht ganz. Denn am Ende taucht auf einmal GP Racing-Teamchef Georg Gschwandner im Rückspiegel auf. Er wurde schon umgedreht und befindet sich offenbar auf einer Aufholjagd. Und da bleibe ich beinhart. Das Ergebnis: Georg steckt im Reifenstapel. Das Lustige daran: Danach, auf der Auslaufrunde, deutet er mir den Daumen nach oben, applaudiert mir für die erfolgreiche Platzverteidigung.
Und genau das zeigt gut, worum es bei den Stockcars, bei den Saloon Cars geht: Knallharter Fight auf der Strecke, doch danach und auch davor wird nicht gestritten. Oder wie es Georg beschreibt: „Danach sieht man sich in die Augen und genießt bei einer irrsinnig herzlichen unkomplizierten Siegerehrung gemeinsam die Wurst vom Grill.“
Vielleicht auch deshalb, weil das Budget einen Bruchteil dessen ausmacht, was man im „herkömmlichen“ Motorsport, egal ob Rallye, Rundstrecke oder Kart, ausgeben muss.
Die Saloon Cars sind verbeult, sind zum Teil schlimm zugerichtet – doch sie werden von ihren Besitzern, den Bastlern wieder zurechtgebogen, niemand muss seine Großmutter verkaufen oder Konkurs anmelden. Und wer nicht selbst an den Autos basteln möchte, kann sich den Spaß, einen kompletten Renntag mit einem GP Racing Volvo um 680 Euro leisten, ohne jeden Selbstbehalt, inklusive technischer und menschlicher Betreuung.
Eines ist sicher: Die Volvos sind gut angekommen in Natschbach. Manfred Stohl, übrigens neuer Stockcar Champion 2013, zeigte sich begeistert: „Das müssen wir unbedingt weiterverfolgen, das war eine echte Bereicherung für die Saloon Cars.“
Übrigens: Einer der harten Konkurrenten bei den Saloon Cars, Andreas Kampichler, hat gemeinsam mit seiner Crew maßgeblich mitgeholfen dabei, dass Georg Gschwandner und sein Team die vier „Elche“ in Windeseile dem Reglement entsprechend aufbauen konnten.
Und so schreibt ein rundum zufriedener Georg Gschwandner: „Stock Car ist vielleicht in Österreich (noch) nicht so populär wie anderswo, aber in punkto Miteinander sind wir jetzt schon Weltmeister!“
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Was ist Stockcar Racing? Zur Website von Stockcar Racing Cup Austria
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